1. Ausgangslage

 

Rauchverbote sind Ergebnis der gesetzgeberischen Verpflichtung zum Nichtraucherschutz. Dieser geht nicht so weit, dass jedes Rauchen verboten ist. Dennoch ist mit der Aufnahme des Nichtraucherschutzes in § 5 Abs. 1 ArbStättV im Jahr 2004 den Arbeitgebern die Pflicht auferlegt worden, erforderliche Maßnahmen zu treffen, um Nichtraucher in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch zu schützen[1]. Nach § 5 Abs. 1 S. 2 ArbStättV hat der Arbeitgeber, soweit erforderlich, ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot zu erlassen. Daran wird deutlich, dass § 5 Abs. 1 ArbStättV in S. 1 und 2 auch individuelle Schutzziele verfolgt.[2] Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen konkretisieren den Inhalt der Organisationspflichten, die dem Arbeitgeber nach § 618 BGB im Hinblick auf die Sicherheit und das Leben der Arbeitnehmer obliegen und üben eine Doppelfunktion aus, wenn in das Arbeitsvertragsrecht transformiert werden. In diesem Fall sind die Arbeitsschutzbestimmungen neben öffentlich-rechtlicher Pflicht zugleich unabdingbare privatrechtliche Pflicht des Arbeitgebers im Sinne eines einzuhaltenden Mindeststandards.[3] Weiterhin ist auch § 2 Abs. 1 MuSchG zu beachten, woraus sich ein besonderer arbeitsplatzbezogener Schutz der Schwangeren und Stillenden vor den Gefahren des Tabakrauchs ergibt. Beides sind unmittelbar durchsetzbare individualrechtliche Ansprüche, die bei der Aufstellung von Regeln des Nichtraucherschutzes von den Betriebsparteien zu beachten sind.

Durch die öffentlich-rechtliche Aufgabenstellung ist der Schutz vor den Gefahren des Tabakrauchs im Betrieb dem Arbeitgeber übertragen worden.

In nahezu jedem Betrieb gibt es bei der Ausgestaltung von Rauchverboten Kontroversen zwischen den Interessen der nicht rauchenden und der rauchen Arbeitnehmer. Die einen reklamieren für sich das Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG. Die anderen berufen sich auf das ebenso verfassungsrechtlich geschützte Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung nach Art. 2 Abs. 1 GG. Die grundsätzliche Schutzrichtung ist vom Bundesverfassungsgericht[4] vorgegeben worden. [5]. Es sind die Nichtraucher, die es zu schützen gilt. Deren Rechte an körperlicher Unversehrtheit gehen denen der Raucher vor, ohne dass diese unberücksichtigt bleiben müssen.

Folglich muss der Arbeitgeber einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Grundrechten finden. Auch aus Eigeninteresse, um innerbetriebliche Konflikte zu vermeiden, ist ihm dies zu empfehlen. Dabei sind neben den relativen auch die absoluten Rauchverbote ebenso in Betracht zu ziehen. Hinzukommt die rechtlichen Differenzierung zwischen Tabakzigaretten und E-Zigaretten. Um einen angemessenen Ausgleich zu erzielen, ist eine Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat unumgänglich.

 

2. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Rauchverboten

 

Das Bundesarbeitsgericht hat schon in seiner Entscheidung vom 19.1.1999[6] klar die Gesundheitsgefahren, welche durch das Rauchen ausgehen, anerkannt und zur Grundlage für das Handeln des Arbeitgebers und damit auch für die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates gemacht.

Arbeitgeber und Betriebsrat haben innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Grenzen (z.B. § 77 Abs. 3 BetrVG) eine umfassende Regelungskompetenz hinsichtlich aller betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Fragen sowie des Inhalts, des Abschlusses und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Zu den von dieser weiten Kompetenz erfassten Regelungsgegenständen gehören insbesondere die Tatbestände, die der Gesetzgeber ausdrücklich der mitbestimmten Regelung durch die Betriebspartner unterstellt hat.

 

a) Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG – Ordnungsverhalten

 

Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei Fragen der Ordnung des Betriebes und Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts [7] ist zwischen mitbestimmungspflichtigem Ordnungsverhalten und mitbestimmungsfreiem Arbeitsverhalten zu differenzieren. Das Arbeitsverhalten ist berührt, wenn der Arbeitgeber kraft seiner Organisations- und Leitungsmacht näher bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise das geschehen soll.[8] Mitbestimmungsfrei sind danach nur Anordnungen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert wird. Hingegen betreffen Anordnungen, die dazu dienen, das sonstige Verhalten der Arbeitnehmer zu koordinieren, die Ordnung des Betriebes im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. [9] Hiergegen betreffen Anordnungen, die dazu dienen, das sonstige Verhalten der Arbeitnehmer außerhalb des Kernbereichs der vertraglichen Erfüllungspflicht zu koordinieren, die Ordnung des Betriebes i.S. von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG[10].

Die Zustimmung des Betriebsrates ist in zeitlicher Hinsicht schon vor der Aufstellung von verbindlichen Verhaltensnormen einzuholen. Das gilt ebenso, wenn die Arbeitgebermaßnahme, die darauf gerichtet ist, die vorgegebene Ordnung des Betriebs zu gewährleisten oder aufrechtzuerhalten, erlassen werden soll.[11] Der Arbeitgeber darf also in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten nicht ohne die vorherige Zustimmung des Betriebsrates einseitig handeln und entscheiden. Dem Betriebsrat ist es nicht erlaubt, dass er dem Arbeitgeber das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffnet.[12] Im Einzelfall kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber das Recht einräumen, unter bestimmten Voraussetzungen allein zu entscheiden[13] oder in besonderen Not- oder Katastrophenfällen die nachträgliche Genehmigung des Betriebsrates einzuholen. Der Betriebsrat kann auf die Ausübung seiner Mitbestimmungsrechte auch nicht verzichten.[14] Ob und wann er seine Mitbestimmungsbefugnisse nutzt, obliegt seiner Entscheidung. Allerdings darf sich der Betriebsrat Verhandlungen mit dem Arbeitgeber nicht entziehen und hat auch in der Einigungsstelle entsprechend dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit mitzuwirken.[15]

Zu dem mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten gehört grundsätzlich auch die Frage, ob während der Arbeitszeit und im Betrieb geraucht werden darf[16]. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht schon die Arbeitsleistung selbst durch das Rauchen beeinträchtigt wird (bspw. bei Reinraumproduktion, Kundengesprächen, Bedienung von Gästen etc.) Dann ist nämlich mitbestimmungsfreies Arbeitsverhalten berührt.[17] Auch soweit Rauchverbote zum Ordnungsverhalten gehören, ziehen die Nichtraucherschutzgesetze der Länder sowie der in § 5 ArbStättV zugunsten der Beschäftigten geregelte Nichtraucherschutz der Mitbestimmung eine Grenze.[18]

 

 

aa) Rauchverbote bei Tabakrauch

 

Bei der Umsetzung des gesetzlichen Nichtraucherschutzes kann ein Regelungsspielraum bestehen, welcher in der Ausgestaltung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eröffnet. Ihre Grenze findet die Gestaltungsbefugnis der Betriebspartner durch höherrangiges Recht. Insofern hat die Betriebsvereinbarung zunächst den gesamten Bereich zwingenden staatlichen Rechts zu beachten. Dazu zählen auch allgemeine Rechtsprinzipien wie die in § 75 BetrVG genannten Grundsätze wie Gleichbehandlungsgrundsatz oder Persönlichkeitsschutz, die Diskriminierungsverbote des AGG[19] sowie grundrechtliche Wertentscheidung wie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit[20]. Nicht nur rechtlich Unzulässiges, sondern auch rechtlich Unmögliches kann nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein.[21] Ordnet das Gesetz oder eine Unfallverhütungsvorschrift zwingend ein Rauchverbot an, besteht kein Mitbestimmungsrecht. Das Gleiche gilt, wenn die Arbeitsleistung nur in einer rauchfreien Umgebung erbracht werden kann, das Nichtrauchen also zur Arbeit an sich gehört.[22] Ein generelles gesetzliches Rauchverbot für den Betrieb oder für das Betriebsgelände besteht nicht[23] Soweit erforderlich, hat der Arbeitgeber gem. § 5 Abs. 1 S. 2 ArbStattV iVm § 618 BGB ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot zu erlassen.[24]

 

Die gesetzliche Grundlage in Gestalt von § 5 ArbStättV bezieht sich nur auf den Schutz der Arbeitnehmer vor den Gesundheitsgefahren des Tabakrauchs. Das Mitbestimmungsrecht ist daher begrenzt. Der Arbeitgeber kann nicht zu Anordnungen gezwungen werden, soweit sie mitbestimmungsfrei sind.[25] Der Arbeitgeber kann bspw. nicht zur Einrichtung von Raucherräumen gezwungen werden, wenn diese nicht bereits vorhanden sind.[26]

 

Der Betriebsrat kann initiativ[27] verlangen, dass Regelungen zur näheren Ausgestaltung des Rauchverbots gemeinsam mit dem Arbeitgeber geschaffen werden, welche die gesetzlichen Regelungen näher bestimmen oder sogar erweitern. Auch wenn es bei der Ausgestaltung von Rauchverboten zuerst um den Nichtraucherschutz geht, muss zur Wahrung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Raucher die Regelung aber auch den Rauchern grundsätzlich die Möglichkeit eröffnen, in Pausen in hierfür besonders bestimmten Bereichen rauchen zu können. Eine derartige Regelung unterliegt nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrates.[28] Mitbestimmungsfrei sind die Fälle eines gesetzlichen Rauchverbote (§ 1 BNichtrSchG, Nichtraucherschutzgesetze der Länder). Das Mitbestimmungsrecht besteht, soweit die gesetzliche Regelung nur den Rahmen vorgibt und eine Ausgestaltung auf betrieblicher Ebene erfolgt.

 

Es geht bei der Gestaltung von Betriebsvereinbarungen zum Rauchverbot nicht nur um die gegenläufigen Grundrechtspositionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern auch um die Regulierung unterschiedlichen Interessen innerhalb der Belegschaft und entsprechende Grundrechtskollisionen. Das ist besonders deutlich bei der zunehmenden Bedeutung des Nichtraucherschutzes, angesichts der unbestreitbaren Gefahren des Passivrauchens.[29]

 

Die Regelungsziele dürfen nicht unverhältnismäßig in die allgemeine Handlungsfreiheit und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer aus Art. 1, 2 GG eingreifen. So fehlt den Betriebsparteien die Regelungsbefugnis, wenn sie ein allgemeines Rauchverbot mit dem Ziel ausgestalten wollen, den Arbeitnehmern das Rauchen abzugewöhnen, um so den Krankenstand zu verbessern. Mit einer solchen Regelung wird tief in die private Lebensführung der Mitarbeiter eingegriffen. Eine solche Kompetenz ist daher trotz des gut gemeinten Ziels abzulehnen.[30] Selbst, wenn man der Absenkung des Krankenstandes eine Betriebsbezogenheit attestieren wollte, genügt dies nicht zur Rechtfertigung des „Zwangs zur gesünderen Lebensweise“. Legitimes Ziel eines generellen betrieblichen Rauchverbots kann also primär nur der Schutz vor gesundheitlichen Gefährdungen und Belästigungen durch das Passivrauchen sein.[31] Daneben können auch der betriebliche Brandschutz, die Vermeidung von Verunreinigungen von Arbeitsergebnissen oder die Intensivierung der Arbeitsleistung unter Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates Ziele von Raucherverboten sein.

 

bb) E-Zigaretten

 

E-Zigaretten verbrennen weder Nikotin noch andere Stoffe. Es wird flüssiges Liquid durch Erhitzen verdampft und als solcher aufgenommen. E-Zigaretten unterfallen nach dem Wortlaut der Arbeitsstättenverordnung nicht deren Regelungsbereich. § 5 Abs. 2 ArbStättV verlangt die Ergreifung von Maßnahmen zum Schutz nur  vor den Gefahren des Tabakrauchs. Da bei dem Betrieb einer E-Zigarette gerade kein Tabak verbrannt, sondern Liquid verdampft wird, kann § 5 Abs. 2 ArbStättV nicht als Rechtsgrundlage für ein Rauchverbot herangezogen werden.[32] Eine Einbeziehung in den Schutzgedanken von § 5 Abs. 2 ArbStättV kommt nicht in Betracht. Es fehlt an einer eindeutigen wissenschaftlichen Klärung, ob und inwieweit das Konsumieren von E-Zigaretten (sog. „Dampfen“) vergleichbare Gefahren für Dritte nach sich zieht, wie es beim Passivrauchen von Tabakrauch bereits der Fall ist. Folglich kann der einzelne Arbeitnehmer aus Nichtraucherschutzgesichtspunkten nicht vom Arbeitgeber ein Verbot des Konsums von E-Zigaretten am Arbeitsplatz verlangen.

 

Dennoch kann der Arbeitgeber mit Zustimmung des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bestimmte Verhaltensregeln für seinen Betrieb und damit für alle Arbeitnehmer vereinbaren. Denn gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Begriff des mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhaltens weit zu verstehen. Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass es sich dabei um Verhaltensregeln zur Sicherung des ungestörten Arbeitsablaufs und zur Gestaltung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer im Betrieb handelt.[33] Dazu können auch Regelungen gehören, die dem vorbeugenden Gesundheitsschutz oder dem Schutz vor Belästigungen dienen. Anerkannt sind Regelungen über das Tragen von Dienstkleidungen, Verbot des Radiohörens, Nutzungsbedingungen für Parkflächen, für bestimmte Räume oder soziale Einrichtungen, Verbot des Essens in Büros etc.[34] Wenn also Verhaltensregeln zur Sicherung eines ungestörten Arbeitsablaufs und die Gestaltung des Zusammenlebens der Arbeitnehmer im Betrieb Regelungsgegenstand sein können, kann auch das Nutzung von E-Zigaretten im Betrieb geregelt werden. Denn die Benutzung von E-Zigaretten hat erkennbar Auswirkungen auf das Zusammenleben und Zusammenwirken der Mitarbeiter im Betrieb.

 

Es mag sein, dass von E-Zigaretten nicht dieselben Gefahren ausgehen wie vom klassischen Rauchen durch Zigaretten. Derzeit gibt es noch keine belastbaren Langzeitstudien, welche Gefahren die Nutzung E-Zigaretten auslösen können. Sicher ist man sich darin, dass es letztlich von den Inhaltsstoffen abhängig ist, welche verdampft werden, ob und welche Folgeschäden verursacht werden können.[35] Da die Inhaltsstoffe auch durch den Nutzer selbst eingemischt werden können, ist ein Gesundheitsrisiko und auch eine Belästigung der Arbeitskollegen nicht auszuschließen. Nicht ausgeschlossen werden können jedenfalls allergische Reaktionen durch die Inhaltsstoffe.[36] Es kann auch nicht ignoriert werden, dass von der Nutzung der E-Zigaretten, insbesondere durch deren Dampfentwicklung und den Geruch erhebliche Beeinträchtigungen ausgehen können[37], die das Zusammenleben der Arbeitnehmer im Betrieb belasten können.

 

b) Inhalt der Betriebsvereinbarung

 

In seiner Ausgestaltung muss eine solche Betriebsvereinbarung über ein Rauchverbot die Schutzrichtung „Nichtraucherschutz“ einerseits und das allgemeine Persönlichkeitsrecht der rauchenden Arbeitnehmer andererseits beachten, also in der Gesamtschau seiner Regelungen verhältnismäßig sein. Das gilt auch im Verhältnis zu dem berechtigten Schutzinteresse des Arbeitgebers an seinem Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG.  Dies bedeutet, dass unter mehreren gleich geeigneten und gleichwirksamen Mitteln stets dasjenige zu wählen ist, welches unter Beachtung der Zielsetzung des Rauchverbots die allgemeine Handlungsfreiheit des Mitarbeiters am wenigsten einschränkt. Insoweit dürfte sich jedes mildere Mittel in geschlossenen Räumen (bspw. Rauchen in bestimmten Räumen oder Büros) als untaugliche erweisen[38]. Denn die Nichtraucher können vor den Gefahren und Belästigungen durch Passivrauchen nur durch ein generelles Rauchverbot in geschlossenen Räumen weitestgehend geschützt werden. Der Arbeitgeber kann Raucherräume einrichten. Diese müssen so beschaffen sein, dass Arbeitnehmer am Arbeitsplatz, in anderen Räumen oder auf Fluren dem Einfluss von Tabakrauch nicht ausgesetzt sind. Rauch darf nicht mehr zu riechen, zu sehen oder zu schmecken sein.[39] Unter diesen Voraussetzungen sind andere mildere Mittel als ein absolutes Rauchverbot in geschlossenen Räumen des Arbeitgebers kaum denkbar. Andere Mittel wären nach dem Maßstab der Rechtsprechung milder aber nicht gleich wirksam, denn Rauchgeruch und -geschmack sind de facto in geschlossenen Räumen für Nichtraucher immer wahrnehmbar und in der Regel mindestens störend.

 

Es ist gem. § 75 Abs. 2 BetrVG u.a. die Aufgabe der Betriebsparteien, die körperliche Unversehrtheit der Beschäftigten zu sichern.[40] Bei der Ausgestaltung des Rauchverbots ist daher weiter zu beachten, dass die Arbeitnehmer unter den Voraussetzungen des § 618 Abs. 1 BGB iVm. § 5 Abs. 1 ArbStättV Anspruch auf Zuweisung eines tabakrauchfreien Arbeitsplatzes haben. Der Arbeitgeber hat die dafür geeigneten Schutzmaßnahmen in seinem Betrieb zu treffen. Zulässig ist es daher, das Rauchverbot auf alle geschlossenen Räume des Betriebes zu erstrecken. Dabei kann die Natur seines Betriebes eine durchaus den Nichtraucherschutz einschränkende Rolle spielen (bspw. Kellner in Raucherkneipe).[41]

 

Konsequenterweise muss bei einem Raucherverbot dennoch dem Raucher – wo betrieblich möglich – die Gelegenheit gegeben werden, ohne Beeinträchtigung der Ausübung seiner persönlichen Handlungsfreiheit in Gestalt des Rauchens während der gesetzlichen Arbeitspausen nachzugehen. Rauchverbote, welche sowohl für die Innenräume als auch für die Freiflächen gelten sollen, sind ohne das Hinzutreten weiterer schützenswerten Interessen (Brandschutz, Gefährdung des Arbeitsergebnisses, etc.) für sich genommen meistens unverhältnismäßig.[42]

Eine Bestimmung des Schutzbereichs vor den Gefahren des Rauchens über den Gesundheitsschutz hinaus kann durch die Betriebsparteien selbst vorgenommen werden. Wegen der der besonderen Nähe zu den betrieblichen Verhältnissen Ihnen dürfte dabei ein weiter Beurteilungsspielraum zuzugestehen. So kann eine Betriebsvereinbarung ein umfassendes Rauchverbot sowohl in den Gebäuden und als auch auf dem Betriebsgelände vorsehen, wenn dadurch neben dem primären Gesundheitsschutzgedanken auch andere schützenswerte Interessen wie Vorbildwirkung gegenüber Patienten in Gesundheits- oder Rehaeinrichtungen, Schutzbefohlenen in Schulen oder Kitas oder Abwendung von Sicherheitsrisiken etc. wegen der Gefahren, welche sich aus dem Rauchen direkt oder indirekt ergeben, bevorzugt werden.

Es ist weiter Sache der Betriebsparteien, Regelungen zum Umgang mit den durch die Ausübung der Raucherpausen einhergehenden Unterbrechung der Arbeit zu finden. Es ist die Frage des grundsätzlichen Umgangs mit diesen Arbeitsunterbrechungen in vergütungs- und arbeitszeitrechtlicher Hinsicht zu regeln. Es ist dabei festzulegen, ob und ggf. in welchem Umfang Raucherpausen außerhalb der gesetzlichen Ruhepausen gestattet werde. Die dabei gern geführten Diskussionen über den angeblichen Informationsvorsprung durch Austausch im Raucherbereich vs. kleine Pausen in der Kaffeeküche und ähnliche Arbeitsunterbrechungen sind in der Lösungsfindung nicht zu ignorieren. Sie sollten aber nicht den eigentlichen Zweck des Rauchverbots als Gesundheitsschutzmaßnahme aus den Augen verlieren. Auch kann die Zulässigkeit weiterer Arbeitsunterbrechungen über die Grenzen der Ruhepausenregelung nach § 4 ArbZG hinaus geregelt werden. Bei örtlich partiellen Rauchverboten können die Betriebsparteien auch regeln, wie sich die Raucher bis zum Erreichen des Raucherraums oder der Raucherzone zu verhalten haben. Hier können beispielsweise bestimmte Wege vorgegeben werden. Auch eine Regelung der Nutzung des Arbeitszeiterfassungssystems, soweit das Rauchen außerhalb der gesetzlichen Ruhepausenzeiten gem. § 4 ArbZG erfolgt, kann aufgenommen werden. Zusätzlich ist es ratsam, eine Regelung über die Kontrolle der Einhaltung dieser Ausübungsvorschriften in eine Betriebsvereinbarung aufzunehmen und welche Konsequenzen Verstöße haben können. Denn der Missbrauch von Arbeitszeiterfassungssystemen kann schnell als Arbeitszeitbetrug interpretiert werden und wäre unter Umständen an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB zu begründen.[43]

Wollen die Betriebsparteien auch die Nutzung der E-Zigaretten regulieren, müssen sie dies ausdrücklich in den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung aufnehmen. Denn „Rauchen“ im herkömmlichen Sinne und im Sinne der ArbStättV meint nur das „Verbrennen von Tabak“. Die Zigarette verdampft ein Liquid, in welchem sich auch Nikotin befinden kann, aber nicht muss. Es findet also kein Verbrennungsvorgang statt und das Dampfen ist daher nicht mit der Anwendung eines herkömmlichen Rauchverbots ohne besondere Regelung in Bezug bringen. Etwas anderes kann sich aus den jeweiligen länderspezifischen Nichtrauchschutzgesetzen ergeben.[44]

Für die Ausgestaltung gelten die oben genannten Grundsätze der Lösung der Interessenkollision und Verhältnismäßigkeit beim klassischen Rauchverbot sinngemäß und es kann in einer Betriebsvereinbarung darauf Bezug genommen werden. Allerdings dürfte bei einem Verbot der Nutzung von E-Zigaretten in geschlossenen Räumen für den deren Benutzung die Zuweisung der für Tabakraucher ausgewiesenen Raucherräumen nicht zulässig sein. Denn die E-Zigaretten-Nutzer müssen auch vor den Gefahren des Tabakrauchs geschützt werden. Demzufolge wären diesen von den Tabakrauchern separierte Räume zuzuweisen. Da die Schaffung neuer Räume nicht erzwungen werden kann[45], kommt es auf die jeweilige betriebliche Situation an, ob ein Rauchen oder/und Dampfen in separierten geschlossenen Räumen überhaupt sinnvoll umsetzbar ist. Bei einer Erlaubnis des Rauchens nur außerhalb geschlossener Räume kommt es auf eine solche Unterscheidung nicht an. Damit wäre einerseits dem Gesundheitsschutz der Nichtraucher und andererseits dem Interesse der Raucher gedient.

 

3. Fazit

 

Betriebliche Rauchverbote sind, soweit sie über die gesetzlichen Regelungen hinausgehen, gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG als betriebliche Regelungen zum Ordnungsverhalten mitbestimmungspflichtig. Daneben kann auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG in Gestalt einer Gesundheitsschutzmaßnahme hinzutreten. [46] Bei der Gestaltung des Rauchverbots sollten die Betriebsparteien auch den Konsum von E-Zigaretten mit regeln. Insgesamt sind Regelungen zu finden, welche ausgewogen die Interessen der Raucher und Dampfer einerseits sowie der Nichtraucher und des Arbeitgebers andererseits berücksichtigen. Dabei wird man nicht um ein generelles Verbot des Rauchens und Dampfens in allen geschlossenen Räumen als einziges und damit verhältnismäßiges Mittel umhinkommen. Bei Rauchverboten auch auf dem Betriebsgelände müssen besondere Umstände hinzutreten, um auch hier die Interessen der Raucher und Dampfer hinter die der Nichtraucher und des Arbeitgebers zurücktreten zu lassen.

[1] Hrsg. Bundesanstalt für Arbeitsschutz (BAuA), Wohlbefinden im Büro – Arbeits- und Gesundheitsschutz bei der Büroarbeit, 7. Auflage, https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Praxis/A11.html

[2] BAG 19.5.2009 – 9 AZR 241/08, NZA 2009, 775

[3] BAG 19.5.2009, – 9 AZR 241/08, NZA 2009, 775

[4] BVerfG 30.7.2008, – 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08, NJW 2008, 2409

[5] Steinau-Steinrück, Rauchen am Arbeitsplatz, NJW-Spezial 2018, 370)

[6] BAG, 19.1.1999 – 1 AZR 499/98, NZA 1999, 546

[7] BAG 19.1.1999 – 1 AZR 499/98, NZA 1999, 546; Klebe, in: DKKW § 87 Rn. 53

[8] BAG, 21.01.1997 – 1 ABR 53/96, NZA 1997, 785

[9] BAG, 21.01.1997 – 1 ABR 53/96, NZA 1997, 785; Fitting, BetrVG, 30. Aufl., § 87 Rn. 67; Klebe in: DKKW, BetrVG § 87 Rn. 59

[10] BAG, 17. 1. 2012 − 1 ABR 45/10, NZA 2012, 687, Rn. 22

[11] Fitting, BetrVG, 30. Aufl., § 87 Rn. 578; BAG 24.3.1981, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitssicherheit Nr. 2

[12] BAG, 3.6.2003 – 1 AZR 349/02, NZA 2003, 1155

[13] BAG, 8.6.2004 – 1 ABR 4/03, NZA 2005, 227

[14] BAG, 3.6.2003 – 1 AZR 349/02, NZA 2003, 1155

[15] Fitting, BetrVG, 30. Aufl., § 87 Rn. 578; BAG, 12.3.2019 – 1 ABR 42/17, NZA 2019, 843

[16] Fitting, BetrVG, 30. Aufl. § 87 Rn. 71; Klebe in: DKKW, BetrVG § 87 Rn. 62; Richardi in: Richardi, BetrVG, 16. Aufl. 2018 § 87 rn. 192; BAG, 19.1.1999 – 1 AZR 499/98, NZA 1999, 546

[17] Fitting, BetrVG, 30. Aufl., § 87 Rn. 71

[18] Richardi in: Richardi, BetrVG, 16. Aufl. 2018, BetrVG § 87 Rn. 192

[19] BAG, 13.10.2009 – 9 AZR 722/08, NZA 2010, 327

[20] Fitting, BetrVG, 30. Aufl. § 77 Rn. 52

[21] Kania in: ErfK , 22. Aufl. 2022, BetrVG, § 77 Rn. 38

[22] Pollert in: Rabe v. Pappenheim, Lexikon Arbeitsrecht 2021, 21. Aufl. 2021, V Beteiligung des Betriebsrats

[23] Wiese in: GK-BetrVG, § 87 Rn. 214, 215

[24] § 5 Abs. 1 S. 2 ArbStättV eingeführt durch Art. 2 Passivrauchen-Schutzgesetz vom 20.7.2007, BGBl. 2007 I 1595; hierzu BAG NJW 2009, 2698; MHdB ArbR/Reichold § 935 Rn. 11 ff.; Uhl/Polloczek BB 2008, 1114 ff., jeweils mwN.

[25] Richardi in:Richardi ,BetrVG 16. Aufl. 2018, BetrVG § 87 Rn. 203

[26] Reichold in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1: Individualarbeitsrecht I, 5. Aufl. 2021, Rn. 26

[27] Richardi in: Richardi, BetrVG 16. Aufl. 2018, BetrVG § 87 Rn. 203

[28] Thüsing in: MüKoHGB, 5. Aufl. 2021, HGB § 59 Rn. 430

[29] BVerfG, 30.7.2008 – 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08, NJW 2008, 2409;

[30] BAG, 19.1.1999 – 1 AZR 499/98, NZA 1999, 546

[31] Gragert/Katerndahl in Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 5. Auflage 2021, § 15 Verhaltenspflichten Rn. 4; BAG, 10.5.2016 – 9 AZR 347/15, NZA 2016, 1134

[32] OVG Münster, 4.11.2014 – 4 A 775/14, NVwZ-RR 2015,211

[33] BAG, 9.12.1980 – 1 ABR 1/78, AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 2; Wiese in: GK-BetrVG, § 87 Rn. 185

[34] Fitting, 30. Aufl. 2020, BetrVG § 87 Rn. 71

[35] Pieper, Gesundheitliche Bewertung von E-Zigaretten; Hrsg. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), https://www.bfr.bund.de/cm/343/gesundheitliche-bewertung-von-e-zigaretten.pdf

[36] Stellungnahme Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Nr. 016/2012 des BfR vom 24. Februar 2012, ergänzt am 21. Januar 2013: https://www.bfr.bund.de/cm/343/e-zigarette-aufbau-funktion-risiken.pdf

[37] Stellungnahme des BfR vom 11.5.2021 zur Frage der Gesundheitsschädlichkeit von E-Zigaretten mit und ohne Nikotin, https://www.bfr.bund.de/de/e_zigaretten___alles_andere_als_harmlos-129574.html

[38] OVG Münster, 29.3.2010 – 1 A 812/08, NJW 2011, 164

[39] BAG, 19.5.2009 – 9 AZR 241/08, NZA 2009, 775

[40] BAG, 19.1. 1999 – 1 AZR 499/98, NZA 1999, 546

[41] BAG, 19.5.2009 – 9 AZR 241/08, NZA 2009, 775

[42] Linck in: Schaub ArbRHdB § 53 Rn. 34

[43] BAG, 9. 6. 2011 − 2 AZR 381/10, NZA 2011, 1027

[44] Hessen, Rheinland- Pfalz und Thüringen verbieten den Gebrauch von E- Zigaretten in Nichtraucherbereichen. Die Verwendung von Tabakerhitzern in Nichtraucherbereichen ist in Bayern, Baden- Württemberg, Bremen, Niedersachsen, Rheinland- Pfalz, Saarland und Thüringen verboten.

[45] BAG, 19.1. 1999 – 1 AZR 499/98, NZA 1999, 546

[46] Klebe in: DKKW, BetrVG § 87 Rn. 253; Fitting, 30. Aufl. 2020, BetrVG § 87 Rn. 306, 307