13. Juli 2018

Die Ausübung der Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz obliegt grundsätzlich dem von den Arbeitnehmern unmittelbar gewählten Betriebsrat. Dem Gesamtbetriebsrat ist nach § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG nur die Behandlung von Angelegenheiten zugewiesen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Erforderlich ist, dass es sich zum einen um eine mehrere Betriebe betreffende Angelegenheit handelt und zum anderen objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder betriebsübergreifende Regelung besteht. Das Vorliegen eines zwingenden Erfordernisses bestimmt sich nach Inhalt und Zweck des Mitbestimmungstatbestands, der einer zu regelnden Angelegenheit zugrunde liegt. Maßgeblich sind stets die konkreten Umstände des Unternehmens und der einzelnen Betriebe. Allein der Wunsch des Arbeitgebers nach einer unternehmenseinheitlichen oder betriebsübergreifenden Regelung, sein Kosten- oder Koordinierungsinteresse sowie reine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte genügen nicht, um in Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zustimmung des Gesamtbetriebsrats zu begründen (BAGE 151, 117 = NZA 2015, 885 Rn. 29 mwN).

Kompliziert wird es dann, wenn durch eine Maßnahme des Arbeitgebers mehrere Mitbestimmungstatbestände gleichermaßen berührt werden.

Im hier zu Grunde liegenden Fall hatte das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden, inwieweit eine auf der betrieblichen Ebene im Wege eines Einigungsstellenverfahrens getroffene Regelung zum Zwecke des Gesundheitsschutzes (Schaffung der Möglichkeit, die Dienstuniform bei hohen Raumtemperaturen gelockert zu tragen) Wirksamkeit entfaltet, wenn zugleich eine Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen dem Gesamtbetriebsrat und dem Arbeitgeber über die Art und Weise des Tragens der Dienstuniform bestimmt.

Das Bundesarbeitsgericht hält in ständiger Rechtsprechung daran fest, dass sich die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Betriebs-, Gesamtbetriebs-und Konzernbetriebsrat danach richtet, ob eine mitzubestimmende Angelegenheit nach ihrem Regelungsgehalt auf jeweils einzelne Betriebe beschränkt ist oder aber eine betriebs- oder unternehmensübergreifende einheitliche Regelung getroffen werden muss. Dabei gilt nach ganz herrschender Meinung ein grundsätzlicher Vorrang des sachnahen Betriebsrats auf der örtlichen Ebene. Diese originärer Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrates wird zwingend ausgeschlossen, wenn in einem gesamtbetriebsratsfähigen Unternehmen der Gesamtbetriebsrat aufgrund notwendig betriebsübergreifender Regelungen für eine solche Angelegenheit zuständig ist (Fitting § 50 Rz. 9). Diese Zuständigkeitshierarchie gilt auch dann, wenn der Gesamt-/Konzernbetriebsrat von seiner Zuständigkeit keinen Gebrauch macht oder gar nicht errichtet ist. Insoweit fällt die Zuständigkeit nicht auf den hierarchisch untergeordneten Betriebsrat zurück. Vielmehr kann dann der Arbeitgeber mangels Verhandlungspartner ohne Berücksichtigung von dessen Mitbestimmungsrechten handeln.

Das Bundesarbeitsgericht nimmt in der zu Grunde liegende Entscheidung für die Zuständigkeitsbestimmung darauf Bezug, ob der rechtliche Gegenstand der Mitbestimmung einen oder voneinander trennbar mehrere Mitbestimmungstatbestände erfüllt. Insoweit knüpft das Gericht an seine bisherige Rechtsprechung zu der Möglichkeit des Auseinanderfallens der Zuständigkeiten bei Interessenausgleich und Sozialplan im Rahmen einer einheitlichen Betriebsänderung an. Hier hatte das Bundesarbeitsgericht schon länger die Möglichkeit eröffnet, dass für die Verhandlungen des Interessenausgleichs, welcher mehrere Betriebe eines Unternehmens betreffen könnte, der Gesamtbetriebsrat zuständig ist, wohingegen für die Verhandlungen des Sozialplans der örtliche Betriebsrat zuständig sein kann. Dabei geht das Gericht davon aus, dass Beratungen über eine einheitliche Betriebsänderung nur mit einer Arbeitnehmervertretung stattfinden können, welche für die Gesamtheit der betroffenen Betriebe zuständig ist. Beim Sozialplan kommt es dann auf die örtlichen Auswirkungen der auf der Ebene des Unternehmens durchgeführten Betriebsänderung an, so dass der örtliche Betriebsrat eine eigene Zuständigkeit für die Sozialplanverhandlungen geltend machen kann.

Es trifft zwar zu, dass der Gesamtbetriebsrat eine in seine Zuständigkeit fallende Angelegenheit gemeinsam mit dem Arbeitgeber zu regeln hat und nicht auf eine bloße Rahmenkompetenz beschränkt ist. Eine einheitliche mitbestimmungspflichtige Angelegenheit kann nicht aufgespalten werden in Teile, die in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats fallen, und solche, für welche die örtlichen Betriebsräte zuständig sind (vgl. BAGE 120, 146 = NZA 2007, 399 Rn. 33 ff. mwN). Es sei jedoch zu beachten, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Regelungen der Betriebsvereinbarung zum Gesundheitsschutz und dem Regelungsbereich einer einheitlichen Unternehmensbekleidung nicht um dieselbe „Angelegenheit“ iSd § 50 I 1 BetrVG handelt. Die einheitliche Unternehmensbekleidung betrifft die betriebliche Ordnung und ist Gegenstand der Mitbestimmung nach § 87 I Nr. 1 BetrVG (vgl. zB BAGE 131, 225 = NZA 2009, 1049 Rn. 23). Betreffen Regelungsmaterien unterschiedliche Mitbestimmungstatbestände, folgt aus der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die eine Regelungsmaterie keine solche für die andere (vgl. für Interessenausgleich und Sozialplan BAGE 118, 131 = NZA 2007, 1245 Rn. 27 mwN).

In Unternehmen mit mehreren Betrieben sind im Bereich des § 87 I Nr. 7 BetrVG regelmäßig die Einzelbetriebsräte für die Regelung der davon erfassten Angelegenheiten zuständig. Der Gesamtbetriebsrat ist nur zuständig, wenn die Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes eine überbetriebliche Angelegenheit betreffen und diese durch die einzelnen Betriebsräte nicht geregelt werden können (vgl. für unternehmensweit einheitliche Arbeits- und Sicherheitsanweisungen für Montagearbeiten im Außendienst BAGE 89, 139 = NZA 1999, 49 [zu B II]).

 

Andreas Dittmann

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht