Das Bundesarbeitsgericht hat in den letzten Jahren mehrfach über die Frage entschieden, ob und wann Umkleide-und Wegezeiten, welche Arbeitnehmer zum an-und Ablegen von vom Arbeitgeber mit Tragepflicht zur Verfügung gestellten Arbeitskleidung aufwenden müssen, zu einer Vergütungspflicht führen. So hatte das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung zu Dienstkleidung bei IKEA festgestellt, dass es sich beim An- und Ablegen von Dienstkleidung um vergütungspflichtige Arbeit handelt, wenn es sich um eine besonders auffällige Dienstkleidung handelt. Um eine besonders auffällige Dienstkleidung handelt es sich, wenn der Arbeitgeber ohne weiteres durch Dritte erkannt werden kann. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mittels Schriftzug erkennbar ist. Es genügt auch die sonstige Gestaltung mit einem hohen Wiedererkennungswert. Zur Begründung hat das Bundesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass ein Arbeitnehmer an der Offenlegung der von ihm ausgeübten beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten außerhalb seiner Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse hat. Die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers – auch zum Aufsuchen der Umkleideräume – beruhen auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit. Diese Handlungen erfolgen allein auf der arbeitgeberseitige Weisung und im alleinigen Interesse des Arbeitgebers, sie sind also ausschließlich fremdnützig. Daher schuldet der Arbeitgeber Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit (vgl. BAG 26.10.2016 – 5 AZR 168/16 – Rn. 12, BAGE 157, 116 = AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 49; vom 19.9.2012 – 5 AZR 678/11 – Rn. 28, BAGE 143, 107 = AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 39).

Das Ankleiden mit einer vorgeschriebenen Dienstkleidung ist nur dann nicht lediglich fremdnützig und damit keine Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und – ohne besonders auffällig zu sein – auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann (BAG 10.11.2009 – 1 ABR 54/08 – Rn. 15, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 125). Das Gericht stellt dabei darauf ab, ob ein normaler Arbeitnehmer auf seinem Weg von und zur Arbeit in seiner Dienstkleidung im öffentlichen Straßenbild aufgrund ihrer Gestaltung als Arbeitnehmer eines bestimmten Arbeitgebers erkannt werden würde. Bei diesem verobjektivierten Prüfungsmaßstab kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer tatsächlich täglich mit seinem privaten PKW zur Arbeit und zurück fährt.

An der ausschließlichen Fremdnützigkeit fehlt es auch, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen, und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden außerhalb des Betriebs nicht nur einem fremden Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet (BAG 17.11.2015 – 1 ABR 76/13 – Rn. 25, BAGE 153, 225 = AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 138; vom 12.11.2013 – 1 ABR 59/12 – Rn. 33, BAGE 146, 271 = AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 131).

 

Nunmehr hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung auch auf die Fälle ausgeweitet, wenn durch eine an sich neutrale Dienstkleidung ihr Träger ohne weiteres einer bestimmten Branche oder einem bestimmten Berufszweig zugeordnet werden kann.

Im vorliegenden Fall war der Kläger als Krankenpfleger in einem Krankenhaus beschäftigt. Der Arbeitgeber stellte weiße Dienstkleidung zur Verfügung. Zudem gab es eine mit dem Betriebsrat geschlossene Dienstvereinbarung, welche die Arbeitnehmer verpflichtet, die Dienstkleidung während des Dienstes zu tragen. Der Arbeitgeber stellte Umkleideräume und abschließbare Schränke für jeden Beschäftigten zur Verfügung. Die Dienstkleidung wies keine Beschriftung oder ähnliche Kennzeichnung auf. Ein während des Dienstes zu tragendes Namensschild war mittels eines Clips abnehmbar.

Der klagende Arbeitnehmer verlangte für das An-und Ablegen der Dienstkleidung sowie für das Zurücklegen des Weges von und zum Umkleideraum arbeitstäglich 12 Minuten vergütet. Der Arbeitgeber wies den Anspruch mit der Begründung zurück, die Dienstkleidung weise keine Beschriftung oder ähnliche Kennzeichnung auf. Es handelt sich dabei nicht um auffällige Dienstkleidung.

Das Bundesarbeitsgericht hat dem Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch zuerkannt. Zwar kann der Arbeitnehmer bei einer ausschließlich in weißer Farbe gehaltenen Kleidung nicht ohne weiteres einem bestimmten Arbeitgeber zugeordnet werden. Um eine besonders auffällige Dienstkleidung handelt es sich jedoch auch, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Ausgestaltung seiner Kleidungsstücke in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Berufszweig oder einer bestimmten Branche in Verbindung gebracht wird. An einer solchen Offenlegung seiner beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten hat der Arbeitnehmer regelmäßig kein eigenes Interesse. Für die Zuordnung zu einer Branche bzw. einem Berufszweig ist ohne Bedeutung, ob die Dienstkleidung in dezenten oder auffälligen Farben gehalten ist. Eine ausschließlich in der Farbe „Weiß“ gehaltene Dienstkleidung ist im öffentlichen Straßenbild als „auffällig“ zu bezeichnen und lässt typischerweise auf eine Zugehörigkeit des Trägers zu einem Heil- oder hierzu gehörenden Hilfsberuf schließen. Dies entspricht auch dem vom Arbeitgeber verfolgten Zweck. Denn durch die besondere Ausgestaltung der Dienstkleidung sollen die Krankenhauspatienten und -besucher die Mitarbeiter des Pflegepersonals als solche erkennen können.

Eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit liegt daher auch vor, wenn ein Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber dafür eingerichteten Umkleidemöglichkeiten für das Anlegen seiner Dienstkleidung nutzt und sich anschließend zu seinem Arbeitsplatz begibt. Dies gilt entsprechend nach Beendigung seiner dienstlichen Tätigkeit.

 

Andreas Dittmann

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht