Kritik darf sein

Nicht jeder Arbeitnehmer ist ein Gemütsmensch. Oft fühlen sich die Beschäftigten ungerecht behandelt, wenn der Arbeitgeber einem pflichtwidrig Handelnden eine Abmahnung erteilt. Gerade in wirtschaftlich angespannten Phasen ist der Druck im Betrieb groß, was verschiedene Ursachen haben kann. Da kann einem Mitarbeiter schon mal der Kragen platzen und es wird Kritik über das Management im Intranet, in der Betriebszeitung oder bei Betriebsversammlungen kundgetan. Das Recht auf freie Meinungsäußerung hat aber auch im Betrieb Grenzen. Jedenfalls ist kein Arbeitnehmer ohne weiteres berechtigt, Vorgehensweisen des Arbeitgebers mit Methoden des NS-Regimes zu vergleichen, weder verbal noch schriftlich.Das Landesarbeitsgericht Berlin (Aktenzeichen: 4 Sa 961/04) hat ausgeführt, dass Arbeitnehmer grundsätzlich berechtigt seien, unternehmensöffentliche Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen zu äußern. Dies dürfe auch überspitzt und polemisch sein. In grobem Maße unsachliche und beleidigende Angriffe auf Vorgesetzte und Arbeitskollegen müsse der Arbeitgeber jedoch nicht hinnehmen, wenn sie zu einer ernstlichen Störung des Betriebsfriedens führten.Laut Bundesarbeitsgericht können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers ebenso wie von Arbeitskollegen einen erheblichen Verstoß gegen die vertraglichen Rücksichtnahmepflichten darstellen und eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen. Dementsprechend muss zwischen der Meinungsfreiheit und anderen Rechtsgütern abgewogen werden. Dabei muss das Grundrecht der Meinungsfreiheit dann zurücktreten, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde oder als eine Beleidigung darstellt. Jedoch darf auch der Arbeitgeber bei der Deutung von Aussagen nicht nur selektiv in der Auslegung vorgehen. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die Auslegung ist vom „Wortlaut“ der Äußerung auszugehen, aber die Begleitumstände, unter denen sie gefallen ist, dürfen nicht unberücksichtigt bleiben. Die isolierte Betrachtung eines Äußerungsteils widerspricht den Anforderungen an eine Sinn-Ermittlung.Beleidigung ist KündigungsgrundDas Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAG) (Aktenzeichen: 6 Sa 72/06) hat eine außerordentlichen Kündigung für rechtmäßig erachtet, welche dem Arbeitnehmer, der bei der Aushändigung einer Abmahnung in einem Personalgespräch gegenüber seinem Arbeitgeber geäußert hatte: „Ist das hier Konzentrationslager oder was?“ Das LAG hat dazu ausgeführt, dass Vergleiche mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem und, was noch schwerer wog, mit den verbrecherischen Verhältnissen in einem Konzentrationslager eine durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckte Beleidigung des Arbeitgebers darstellen. Derartige Beleidigungen berechtigen den Arbeitgeber regelmäßig zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung.