Der neue gesetzliche Abfindungsanspruch

Eine Kernregelung des neuen Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) ist nach Ansicht der Regierung der neue Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung, der seit 1.1.2004 gilt. Diese Bestimmung soll der Tatsache Rechnung tragen, dass in der arbeitsgerichtlichen Praxis ein Großteil der Kündigungsschutzverfahren mit einem gerichtlichen Abfindungsvergleich endet. Der gekündigte Arbeitnehmer kann nun wählen, ob er – wie bisher – Kündigungsschutzklage erhebt oder stattdessen die gesetzliche Abfindung in Höhe von einem halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr nimmt. Der Arbeitnehmer hat dann Anspruch auf eine Abfindung, wenn der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG kündigt und der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Drei-Wochen-Frist keine Klage erhebt. Wichtig ist aber, dass der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung darauf hingewiesen hat, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichen lassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann. Die Gesetzesbegründung bezeichnet § 1a KSchG als „gesetzlichen Abfindungsanspruch“. Doch eigentlich beschreibt das Gesetz nichts anderes, als einen rechtsgeschäftlichen Prozess: Der Arbeitgeber erklärt eine betriebsbedingte Kündigung und bietet dem Arbeitnehmer eine Abfindung an. Dies war auch vorher schon möglich, da die Arbeitsvertragsparteien auch nach bisherigem Recht nach Ausspruch der Kündigung vereinbaren konnten, dass der Arbeitnehmer gegen Zahlung einer Abfindung auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichtet. Der so genannte „gesetzliche Anspruch“ hat somit nur symbolischen Wert. Für beide Seiten können sich hier allerdings auch Probleme auftun. Der Arbeitgeber schwächt seine Position durch ein einseitiges Angebot, da er fast schon zu erkennen gibt, dass er seine Kündigung für unwirksam hält. Wäre die Kündigung wirksam, so bräuchte er grundsätzlich überhaupt keine Abfindung zu zahlen. Auch für den betroffenen Arbeitnehmer wird es in vielen Fällen günstiger sein, von dem Abfindungsangebot keinen Gebrauch zu machen, sondern Klage zu erheben. So kann er möglicherweise in einem gerichtlichen Vergleich eine höhere Abfindung aushandeln, aber womöglich auch leer ausgehen. Risiko für ArbeitnehmerDer Arbeitnehmer muss bedenken, dass durch Verstreichenlassen der Klagefrist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses endgültig ist. Das birgt für ihn das Risiko, dass er sich bei der Wahl der gesetzlichen Abfindungslösung die Klagemöglichkeit gegen die Kündigung beraubt, sich aber nicht sicher sein kann, dass er die in Aussicht gestellte Abfindung tatsächlich erhält. Der Anspruch entsteht zum Beispiel nicht, wenn der Arbeitgeber nach Verstreichenlassen der Klagefrist eine außerordentliche Kündigung aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen ausspricht. Die Überprüfung der Wirksamkeit der ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung ist dann versperrt, die Abfindung aber noch keineswegs sicher.