Deutsche Sonderregelung verstößt gegen europäisches Diskriminierungsverbot
20. Mai 2006 - Andreas Dittmann
Alter allein ist kein Befristungsgrund
Befristungen von Verträgen sind im Arbeitsleben grundsätzlich zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sind. Aber das Gesetz sieht auch Ausnahmen vor. So ist der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags mit einem Arbeitnehmer, der bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat, auch ohne sachlichen Grund zulässig. Dies gilt jedenfalls dann, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber kein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Die rot-grüne Bundesregierung hatte diese Altersgrenze für die sachgrundlose Befristung von älteren Arbeitnehmern bis zum 31. 12. 2006 auf 52 Jahre abgesenkt. Man wollte damit der Tendenz zur Entlassung älterer Arbeitnehmer gegensteuern und zugleich deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt auf eine Wiedereinstellung erhöhen. Das Ziel wurde jedoch verfehlt.Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Ende vergangenen Jahres entschieden, dass die so geschaffene weitere Befristungsmöglichkeit eine nach Gemeinschaftsrecht unzulässige Diskriminierung wegen des Alters darstellt und die Vorschrift von den nationalen Gerichten nicht angewendet werden darf (Aktenzeichen: C 144/04).Nunmehr hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer aktuellen Entscheidung (Aktenzeichen: 7 AZR 500/04) erstmals nach der Entscheidung des EuGH mit der gleichen Frage zu befassen. Die Richter haben darin der Klage des Arbeitnehmers stattgegeben. In Folge der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sind sachgrundlose Befristungen unwirksam, die sich allein auf die Altersregelung im Gesetz berufen.Insbesondere betonte das Gericht, dass der Arbeitgeber nicht darauf vertrauen durfte, dass die relativ neue Regelung Gültigkeit habe. Die Entscheidung über den sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Vertrauensschutz ist dem Europäischen Gerichtshof vorbehalten. Zudem habe es schon vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes viele Experten gegeben, die darauf hinwiesen, dass die Regelung gegen europarechtliche Normen zum Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstoße.Alle Vereinbarungen betroffenDer Europäische Gerichtshof hat keine Aussagen dazu getroffen, ob Vereinbarungen, die vor der Entscheidung getroffen wurden, gültig bleiben. Deshalb geht das BAG davon aus, dass eine Befristung auf Grund des Alters auch in solchen Verträgen hinfällig ist, die bereits vor der EuGH-Entscheidung geschlossen wurden. Somit sind sämtliche befristeten Verträge, die auf Grund der Altersregelung im Teilzeitbefristungs-Gesetz abgeschlossen wurden, unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die betroffenen Mitarbeiter beim Arbeitsgericht die Entfristung und damit das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsvertrages feststellen lassen können. Die Entfristung entsteht zwar kraft Gesetzes, sie muss aber noch ausdrücklich festgestellt werden. Eine entsprechende Klage muss spätestens drei Wochen nach Ablauf der Beschäftigung erhoben werden. Andernfalls gilt die Befristung als wirksam.