Auf den guten Ruf des Arbeitgebers achten

Eine schwere, schuldhafte Pflichtverletzung kann eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen. Ein wichtiger Grund ist dabei nicht nur in eine erhebliche Verletzung der Hauptleistungspflicht wie etwa das Erscheinen zur Arbeit. Auch die schwerwiegende Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein.Bedeutsam ist dabei vor allem eine Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflichten. Nach der Rechtsprechung verlangt die vertragliche Rücksichtnahmepflicht im Arbeitsverhältnis, dass beide Parteien auf die Rechtsgüter und die Interessen der jeweils anderen Seite eingehen, diese bewahren und nicht verletzen. Was dabei von Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Einzelnen abverlangt werden kann , hängt vom Einzelfall und der jeweiligen Stellung im Betrieb und der Öffentlichkeit ab.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit einem Urteil (Aktenzeichen: 2 AZR 53/05) die Klage eines im Öffentlichen Dienst beschäftigten Gutachters des Medizinischen Dienstes, der sich mit der Beurteilung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen befasste, zurückgewiesen. Der Gutachter war wegen einer Hirnhautentzündung arbeitsunfähig erkrankt und dennoch in den Skiurlaub gefahren. Trotz Anforderung des Arbeitgebers sah er sich aber gleichzeitig wegen seiner Erkrankung nicht in der Lage, an einer Fortbildung teilzunehmen. Das BAG hat das Argument des Arbeitnehmers, dass seine gesundheitlichen Einschränkungen allein neuropsychologischer Art gewesen seien und er daher sehr wohl zwar Ski fahren, aber sich keinen intellektuellen Anstrengungen unterziehen konnte, nicht gelten lassen.

Für das Gericht wog die mangelnde Sensibilität des Arbeitnehmers schwerer, insbesondere im Hinblick auf dessen Tätigkeit und die sich durch sein Verhalten negativ abzeichnende Außendarstellung des Arbeitgebers.Gutachter des Medizinischen Dienstes, die auf Grund von Zweifeln an einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf Verlangen eines Arbeitgebers tätig werden, stehen in einer besonderen Verantwortung. Schließlich sei ein Gutachter nur seinem ärztlichen Gewissen unterworfen. Ihm obliegt es, den Gesundheitszustand des arbeitsunfähig geschriebenen Arbeitnehmers zu überprüfen und zu klären, ob tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt.

Besondere Sorgfalt

Der Kläger hätte also schon kraft seiner Tätigkeit besonders sorgfältig in eigenen Angelegenheiten sein müssen, was er aber nicht war. Um Missbräuche bei der Attestierung von Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden oder aufzudecken, war sein Arbeitgeber darauf angewiesen, nach außen glaubwürdig auftreten zu können. Medizinische Mitarbeiter, die diesem Interesse des Arbeitgebers zuwider handeln, beeinträchtigen somit ihre Vertragspflichten erheblich, weil sie die Glaubwürdigkeit ihres Arbeitgebers durch ihr Fehlverhalten untergraben. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst nur bis zum Auslaufen der ordentlichen Kündigungsfrist ist dem Arbeitgeber dann nicht zuzumuten.