Entlassungen sind nur mit Zustimmung des Integrationsamtes möglich

Schwerbehinderte Menschen haben nicht nur Anspruch auf eine im weitesten Sinne barrierefreie Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben. In der Arbeitswelt genießen sie zudem besonderen Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber muss daher vor jeder Entlassung eines gehandicapten Mitarbeiters die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Diese Regelung gilt für Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte, behinderte Menschen, deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Kündigung bereits länger als sechs Monate bestanden hat.Ist dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Entlassung die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht bekannt, muss der Gekündigte sich, um seinen Sonderkündigungsschutz zu behalten, innerhalb von drei Wochen nach der Kündigung auf seinen Schwerbehindertenstatus oder seine Gleichstellung berufen. Die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage -sie muss ebenfalls innerhalb von drei Wochen eingereicht werden -muss er dennoch einhalten.

Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Status der Schwerbehinderung als nachgewiesen gilt, weil sie „offenkundig“ ist. Das Bundesarbeitsgericht hat betont, dass die Schwerbehinderung eines tauben und an schweren Sprachstörungen leidenden Arbeitnehmers offensichtlich ist. Dann kann sich der Arbeitgeber nicht darauf berufen, er habe von der Schwerbehinderung seines Arbeitnehmers nicht gewusst.

Obwohl im betreffenden Fall der Arbeitnehmer erst nach Ablauf der dreiwöchigen Frist Klage beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht hatte, sah das Gericht die Kündigung als unwirksam an. Sie war nur deshalb nicht verspätet, weil die dreiwöchige Klagefrist erst ab Bekanntgabe der Entscheidung des Integrationsamtes zu laufen beginnt. Der Arbeitgeber hatte eine solche Zustimmung allerdings nicht eingeholt. Nach Auffassung des Gerichts bedurfte es in diesem Fall wegen der Offenkundigkeit der Schwerbehinderung ausnahmsweise auch nicht der gebotenen Mitteilung des Arbeitnehmers.Der Sonderkündigungsschutz greift allerdings nicht, wenn der gehandicapte Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs noch keinen Antrag auf Feststellung seiner Schwerbehinderung beim Integrationsamt vorgelegt hat. Nicht erforderlich ist jedoch, dass das Integrationsamt über den Antrag zum Zeitpunkt der Kündigung bereits entschieden hat, wenn die Schwerbehinderung zu diesem Zeitpunkt bereits objektiv vorlag. Das Integrationsamt kann dem Antrag später rückwirkend für einen Zeitpunkt vor der Entlassung stattgeben. Auf diese Weise erstreckt sich der Sonderkündigungsschutz auch auf eine bereits ausgesprochene Kündigung.Wichtig ist, dass der Arbeitnehmer an dem Feststellungsverfahren über seine Schwerbehinderung aktiv mitwirkt, sodass das Versorgungsamt innerhalb der Frist von drei Wochen entscheiden kann. Tut er dies nicht, verliert er den Sonderkündigungsschutz.