In manchen Fällen darf der Bewerber lügen

Vor Abschluss eines Arbeitsvertrages ist der Arbeitgeber natürlich daran interessiert, sich einen umfassenden Eindruck über den Bewerber zu verschaffen. Während der Kandidat bei einer schriftlichen Bewerbung viel Zeit hat, die passende Formulierung zu wählen, muss er in einem Vorstellungsgespräch schnell reagieren. Da der Bewerber laut Rechtsprechung aber nicht alle Fragen wahrheitsgemäß beantworten muss, sollte er wissen, wann er ehrlich sein muss und wann er schummeln darf. Grundsätzlich gilt: Zulässige Fragen muss man wahrheitsgemäß beantworten. Die Abgrenzung lässt sich also nicht einfach nach der Faustregel „Mein Privatleben geht meinen Chef nichts an“ vornehmen. Die Zulässigkeit ist davon abhängig, ob ein direkter Zusammenhang mit der Tätigkeit besteht. Gestattet sind alle Fragen, die sich auf die fachlichen, körperlichen, geistig-seelischen und sozialen Anforderungen beziehen, wie zum Beispiel die Frage nach der Anerkennung als Schwerbehinderter. Diese Tatsache muss der Arbeitgeber kennen, um seinen Schutzpflichten nachkommen zu können. Außerdem sind Fragen zulässig, die für die Gehaltsabrechnung oder die sonstige Verwaltung des Dienstverhältnisses bedeutsam sind.

Gefahr fürs Arbeitsklima

Grundsätzlich dürfen sowohl in einem Personalfragebogen als auch in einem Bewerbungsgespräch nur solche Fragen gestellt werden, an denen im Hinblick auf die Tätigkeit und den Arbeitsplatz ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht. Daher sind Fragen nach der Religion oder der Gewerkschaftszugehörigkeit im Allgemeinen unzulässig. Soll die Anstellung jedoch bei einem so genannten Tendenzbetrieb wie einer kirchlichen Einrichtung oder einer Gewerkschaft erfolgen, so können diese Fragen gestellt werden. Fragen wie „Wie oft gehen Sie im Monat aus?“ oder Erkundigungen nach sexuellen Neigungen sind dagegen nicht gestattet. Denn von seltenen Ausnahmefällen abgesehen haben sie für eine Stellenbesetzung keine Bedeutung.

Stellt der Arbeitgeber unzulässige Fragen, so muss er damit rechnen, dass diese Fragen wahrheitswidrig beantwortet werden, was dann aber ohne Einfluss auf den Arbeitsvertrag bleibt. Mit anderen Worten: Der Bewerber hat in manchen Fällen ein Recht zu lügen. Bestes Beispiel ist die Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft. Diese Frage ist fast immer unzulässig. Beantwortet der Bewerber jedoch eine zulässige Frage wahrheitswidrig, kann der Arbeitgeber den Vertrag anfechten. Dennoch sollte sich jeder Arbeitnehmer fragen, ob ein neuer Job mit einer Lüge begonnen werden soll. Auf die Frage nach einer Schwangerschaft oder der Überschuldung kann man zwar lügen, jedoch wird bei vielen Chefs nach der Rückkehr aus dem Mutterschutz oder dem Beginn von Lohnpfändungen das Arbeitsklima verschlechtert sein.